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Frauengesundheit im Fokus: Der Hebammenberuf

Frauengesundheit im Fokus: Der Hebammenberuf | Blogartikel von Molemin

Am 5. Mai ist Internationaler Hebammentag. Wir haben mit einer Hebamme über die Wichtigkeit des Berufs, die Herausforderungen und besondere Erlebnisse gesprochen. Auch haben wir Fragen unserer Community gesammelt und teilen mit euch Tipps und Ratschläge zur Schwangerschaft, zur Geburt, zum Wochenbett und zur Erstausstattung. Jana Schajka-Watson arbeitet seit 1995 als Hebamme und hat Schwangerschaften, Geburten und das Wochenbett sowohl im Spital-Setting als auch ausserklinisch im Geburtshaus betreut. Sie ist freischaffende Hebamme im Geburtshaus Matthea in Basel.

Jede Schwangere sollte eine Hebamme haben

„Hebammen sollten die Ersten sein, die kontaktiert werden, wenn eine Frau schwanger ist. Das passiert leider noch zu wenig“, meint Jana Schajka-Watson. Vielleicht auch weil das Verständnis oftmals fehlt, was genau die Aufgaben einer Hebamme sind. „Eine Hebamme ist die Fachfrau für die gesunde Schwangerschaft, die normale Geburt, das Wochenbett und die erste Zeit mit dem Kind. Sie kann all diese Phasen im Leben einer Frau und einer Familie selbstständig betreuen,“ erklärt Jana. „Eine Hebamme muss aber auch sehen können, wenn ärztliche Hilfe benötigt wird und dann entsprechend weiterverweisen.“ Grundsätzlich, wenn alles gut ist und normal läuft, braucht es keine Ärzte. Dann heisst es oft einfach abwarten. „Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, die eine Hebamme mitbringen muss“, meint Jana lachend.

Neuerdings gibt es einen gefährlichen Trend: die Alleingeburt. Laut Un­ter­su­chun­gen handelt es sich oftmals ent­we­der um Müt­ter, die wäh­rend einer vorherigen Ge­burt im Spital trau­ma­ti­sche Er­fah­run­gen ge­macht ha­ben oder es sind Frau­en, die sich von vorn­her­ein nur auf ihr Kör­per­ge­fühl ver­las­sen wol­len. „Das ist ein sehr gefährlicher Trend“, sagt Jana. „Ich finde, dass wir Hebammen uns unersetzlich machen müssen.“ Mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung können Hebammen auf unerwartete Komplikationen eingehen und Schlimmes verhindern.

 

Warum bist Du Hebamme? Was liebst Du an deinem Beruf?

„Ich bin selbst erstaunt, wie sehr mich jede einzelne Geburt immer wieder berührt, obwohl ich das jetzt doch schon einige Jahre mache. Und dass das möglich ist, finde ich total schön.  Ein grosser Schritt für mich war, als ich mich entschieden habe als freiberufliche Hebamme auch Geburten zu betreuen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon drei eigene Kinder und habe in der Schwangerschaftsbetreuung und im Wochenbettbereich gearbeitet. Als ich dann den Schritt gewagt habe, Geburten im ausserklinischen Setting zu betreuen und diese erste Geburt erlebt habe, das war wirklich magisch für mich. Wieder dabei sein zu dürfen im professionellen Kontext und dieses Gespür, das war wie eine Offenbarung für mich. Mich fasziniert dieser Übergang von einem Lebenszustand in den nächsten und das Begleiten der Mütter, sie zu stärken und zu unterstützen in ihrer Kraft, in ihrem Körper und in ihrer Frauengesundheit. Das ist mein Beruf, das möchte ich machen!“

 

Wie hat sich der Hebammenberuf in den vergangenen Jahren verändert?

„Die Ausbildung ist sehr viel theoretischer geworden und weniger praxisorientiert. Das Ausbildungskurrikulum hat sich dahingehend verändert, dass mehr Wert auf wissenschaftliches Arbeiten gelegt wird. Wissen ist natürlich auch ganz wichtig für den Hebammenberuf. Wir müssen viele Kenntnisse haben über den weiblichen Körper, die Anatomie, die Physiologie, über den normalen Geburtsverlauf sowie auch erkennen lernen, wenn es Abweichungen gibt. Meiner Meinung nach hilft es allerdings nicht so sehr Studien zu lesen und auswerten zu können. Je nach Setting, in dem eine Hebamme arbeitet, werden unterschiedliche Anforderungen an sie gestellt, ob sie in einer grossen Klinik anfängt, in der viel Coaching möglich ist oder, ob sie in einem kleinen Spital ist und schon schnell alleine Entscheidungen treffen muss. Und natürlich ist es noch einmal anders für Hebammen, die ausserhalb von einer Klinik arbeiten. Das betrifft prozentual gesehen, sehr, sehr wenige. Die allermeisten Frauen gehen für die Geburt immer noch ins Spital. Der Mythos, dass ausserklinische Geburten per se gefährlicher sind, hält sich hartnäckig. Mehrere Studien aus Europa und Nordamerika belegen, dass geplante Hausgeburten, die von einer Hebamme betreut werden, genauso sicher sind wie geplante Krankenhausgeburten.

Eine Sache, die sich auch sehr verändert hat, ist dass eine Schwangerschaft schnell zu einem allgemeinen Risiko erklärt wird und dann sehr viele Tests und Untersuchungen gemacht werden. Dabei geht es nicht unbedingt um die Frau, sondern um die Gesundheit des Kindes. Sobald das Kind draussen ist, interessiert sich niemand mehr für die Mutter. Ich übertreib jetzt, aber nur ein bisschen. Deswegen wird auch so wenig Aufmerksamkeit auf das Thema Wochenbett gelegt. Wir Hebammen sind da halt einfach sehr streng. Es ist ganz, ganz wichtig, dass das Wochenbett eingehalten wird, für die eigene Gesundheit in 30 Jahren, denn vieles zeigt sich erst um die Menopause herum.“

 

Wie ist das Verhältnis zwischen Hebammen und Ärzten?

„Wenn Ärzte gebraucht werden, wenn es wirklich nötig ist, dann ist es super und wichtig, dass sie da sind. Man kann aber schon sagen, dass es eine kleine Rivalität zwischen Hebammen und Ärzten gibt. Ich denke mal es ist so: Wir Hebammen sind ausgebildete Fachfrauen für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillen, Neugeborene und gehen grundsätzlich davon aus, dass Mutter und Kind gesund sind und alles in Ordnung ist. Wenn das mal nicht mehr der Fall sein sollte, dann suchen wir ärztliche Hilfe und leiten entsprechende Massnahmen ein. ‚Guet luege, nüt mache' ist ein wichtiger Hebammenspruch. Oftmals heisst es einfach abwarten, geduldig sein. Dieses inaktiv sein, können Ärzte manchmal nicht so gut aushalten.“

 

Welche Ratschläge hast Du für das Wochenbett und für die erste Zeit mit Kind?

„Was vielen Frauen nicht bewusst ist und was auch grundsätzlich ein bisschen in Vergessenheit geraten ist in unserer Gesellschaft: Mit der Geburt des Kindes ist die Schwangerschaft nicht einfach vorbei und alles geht wieder zurück zum Zustand vor der Schwangerschaft. Da beginnt eine empfindliche Zeitspanne. Das Wochenbett dauert sechs bis acht Wochen insgesamt. Die heisse Phase sind die ersten zwei bis drei Wochen, wo es wichtig ist, dass man sich pflegt, zu Hause ist, sich ausruht und gut betreut ist, keine Ablenkungen und keine anderen Verpflichtungen hat. Mit dem Kind zu sein, ist schon Beschäftigung genug. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, dass man sich im Vorfeld schon ganz viel Unterstützung organisiert. Es sollte gut organisiert sein, wer einkauft, wer kocht, wer alles drumherum macht, so dass die frischgebackene Mutter mit ihrem Baby im Bett sein kann. Das Wochenbett – dieser Begriff im Deutschen umfasst ja ‚Wochen' und ‚Bett' – heisst wirklich, dass man im Bett ist. Bei uns heisst es immer: Eine Woche im Bett, eine Woche auf dem Bett, und eine Woche ums Bett herum. Dieses ‚ums Bett herum' kann auch der erste Spaziergang sein, aber es braucht wirklich sehr, sehr viel körperliche Ruhe. Es passiert so viel Umstellung rein körperlich gesehen in dieser Zeit: Das Umstellen auf das Stillen, das Heilen von der Geburt, die Rückbildungsvorgänge im Körper, die hormonelle Umstellung, nicht mehr selbst bestimmen können, wenn man schläft. Diese ganzen Umstellungen, das braucht einfach sehr viel Ruhe, sehr viel Fokus. Wichtig ist, das eigene Tempo zu finden und gute Betreuung zu organisieren, sprich eine gute Hebamme fürs Wochenbett, die man vielleicht auch schon in der Schwangerschaft hatte.“

 

Hast Du allgemeine Tipps zum Stillen?

„Grundsätzlich gilt: sich darauf einlassen, offen darauf zugehen und sich nicht unter Druck setzen. Dank Social Media, dem Internet und Google ist das leider gar nicht einfach. Mein Tipp: Ich würde ans Stillen mental genauso herangehen wie ans Gebären. Wenn man grundsätzlich gesund ist, eine komplikationslose Schwangerschaft erlebt hat und alles in Ordnung ist, kann man davon ausgehen, dass die Geburt auch gut verläuft und dass sich daran eine normale Stillzeit anschliesst. Die ersten Tage nach der Geburt sind da sehr wichtig. Da würde ich einfach sagen: Such dir eine gute Hebamme, eine gute Stillberatung. Mach vielleicht schon während der Schwangerschaft eine sogenannte Stillanamnese. Aber eigentlich, wenn man normale Brüste hat, normal geformte Brustwarzen, kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass diese Brüste irgendwann Milch produzieren. Und wenn ein gesundes, termingeborenes Kind zur Welt gekommen ist, kann man davon ausgehen, dass es in der Lage ist, an dieser Brust zu trinken. Beim ersten Kind hat man natürlich keinen Schimmer. Da braucht man dann einfach gute, geduldige, fachliche Unterstützung. Sprich eine Hebamme.“

 

Was ist bei der zweiten Geburt zu beachten?

„Je nachdem wie die erste Geburt ablief, glauben Frauen bei der zweiten Geburt ganz oft nicht, dass sich die Geburt bereits ankündigt, da es das letzte Mal viel mehr weh getan oder viel länger gedauert hat. Und dann verpassen sie manchmal den Moment und sind ein bisschen zu spät dran. Oft wird unterschätzt, wie schnell die zweite Geburt gehen kann, weil die in den allermeisten Fällen sehr viel schneller geht. Ansonsten ist die Herausforderung beim zweiten Kind, dass die Schwangerschaft eventuell ein bisschen anstrengender ist, weil schon ein Kind da ist, die Möglichkeit sich auszuruhen weniger gegeben ist und die Frauen einfach erschöpfter sind. Da wird die Organisation des Wochenbetts besonders wichtig, weil es für die Frauengesundheit von grosser Bedeutung ist, dass Frauen sich im Wochenbett gut erholen und ausruhen.“

 

Soll ich meinem Baby einen Nuggi geben oder nicht? Welche Nuggiform ist die beste?

„Es gibt gefühlt eine Million unterschiedliche Nuggiformen, das muss man einfach ausprobieren. Ich würde sagen, nicht zu schnell mit dem Nuggi anfangen. Ich sage meinen Frauen immer, drei Wochen warten mit Nuggi einführen, weil das Kind sein Saugbedürfnis, das sehr stark ist am Anfang, an der Brust ausleben soll, damit die Milchproduktion in Gang kommt. Und dann ist es von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Manche brauchen nicht unbedingt einen Nuggi, andere haben ein sehr starkes Saugbedürfnis auch ausserhalb von Hunger und Stillen. Da ist es sicherlich angebracht irgendwann den Nuggi einzuführen. Ich kann aber keine allgemeine Aussage machen zur Nuggiform. Einfach ausprobieren.“

 

Soll ich meinem Baby auch im Sommer eine Mütze anziehen?

„Ich bin ein grosser Fan von Mützen und ich vermisse sie oft, wenn ich kleine Babys auf der Strasse sehe mit ihren Eltern. Es gibt sehr schöne Mützchen aus Wolle/Seide mit sehr langen Bändern, bei denen sich viele fragen, warum die Bänder so lang sind. Die langen Bänder werden nicht unter dem Kinn zusammengebunden, sondern um den Körper gewickelt. Sehr praktisch! Der Kopf von einem Kind, wenn es frisch auf der Welt ist, hat ja in den meisten Fällen ganz wenig Haare und ist flächenmässig sehr gross. Da geht sehr viel Wärme verloren. Neugeborene können mit ihrer Wärme noch nicht so gut haushalten und ausserdem sind die Ohren ungeschützt. Die waren vorher im Bauch, da war alles gedämpft, und jetzt sind sie draussen und alles ist laut. Und gegen all diese Einflüsse kann eine Mütze gut helfen. Unbedingt Mütze tragen, egal ob Winter oder Sommer, immer. Auch zum Schlafen.“

 

Wie kleide ich ein Neugeborenes im Hochsommer?

„Immer lang anziehen! Auch wenn wir schwitzen, Kinder können frieren. Babys kühlen sehr schnell aus. Sie kommen ja von 37 Grad, also praktisch Tropenhitze. Selbst wenn es 30 oder 35 Grad ist, ist das immer noch kühler als im Bauch. Sie brauchen lange Ärmel, lange Beine und Socken. Auch als Sonnenschutz. Die Haut ist sehr, sehr empfindlich. Babys müssen immer im Schatten sein oder im Tuch oder im Wagen, wo keine Sonne rankommt. Faustregel ist, dem Baby immer eine Schicht mehr anzuziehen als uns selbst.“

 

Woher weiss ich, ob mein Baby friert oder zu warm hat?

„Die Stelle am Körper, wo man das gut testen kann, ist der Nacken. Wenn man da anfasst, kann man herausfinden, ob das Kind zu warm oder zu kalt hat. Wenn ein Kind zum Beispiel nicht richtig zunimmt, obwohl es offensichtlich trinkt, häufig gestillt wird, genug Milch da ist, könnte das darauf hinweisen, dass das Kind einfach immer ein bisschen friert und zu viele Kalorien verbrennt, um sich warm zu halten. Diese Babys sind dann nicht kalt und auch nicht zwangsläufig unzufrieden. Der Körper kompensiert, aber er verbrennt einfach zu viele Kalorien.“

 

Und was kann ich tun, wenn die Hände oder Füsse meines Babys immer kalt sind?

„Kalte Hände und kalte Füsse sind nicht unbedingt zwangsläufig ein Zeichen, dass das Kind friert. Das ist am Anfang normal, weil sie am weitesten weg sind vom Körperstamm und zuerst der Körper versorgt wird und dann erst die Extremitäten. Handschuhe muss man nicht unbedingt anziehen aber Wollsocken und Wollschühchen sind sicherlich gut für kalte Füsse.“

 

Wie und wo informiere ich mich am besten?

„Ich rate allen, nicht so viel im Internet zu lesen! Da gibt es tausend widersprüchliche Informationen. Frauen sind heutzutage deshalb oftmals sehr, sehr verunsichert, was ich total schade finde. Lieber ein gutes Buch besorgen und das zu Rate ziehen (zum Beispiel Babyjahre von Remo Largo oder Die Hebammensprechstunde von Ingeborg Stadelmann). Oder eine Hebamme fragen! Es ist definitiv schwieriger geworden, denn das Thema Schwangerschaft und Kinder ist einfach nicht mehr so allgegenwärtig. Früher in Grossfamilien, in denen mehrere Generationen unter einem Dach gelebt haben, war der Umgang mit Kindern etwas Normales. Oftmals haben heute Frauen erstmals ein Neugeborenes in den Händen, wenn sie ihr erstes Kind kriegen. Da kommen dann wir Hebammen zum Zuge und können in dieser Zeit mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

  

Literaturtipps:

Selbstbestimmte Geburt - Handbuch für werdende Eltern. Mit Erfahrungsberichten
von Ina May Gaskin

Die Hebammen-Sprechstunde. Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit - eine einfühlsame Begleitung mit Aromatherapie, Bachblüten, Homöopathie und Pflanzenheilkunde
von Ingeborg Stadelmann

Babyjahre: Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren
Erziehungsratgeber für Kleinkinder
von Remo H. Largo

Artgerecht – Das andere Kleinkinderbuch
von Nicola Schmidt

Gemeinsam leben, gemeinsam wachsen. Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Kinder einfühlsam ins Leben begleiten können
von Daniel Siegel

Was macht eigentlich eine Hebamme (Bilderbuch)
von Tara Franke, Mabuse-Verlag

 

Podcasts:

Der Geburtspodcast. Ehrliche Geburtsgeschichten und Interviews mit Expert:innen über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
von Yanette Nadja Naomi

Die friedliche Geburt. Jede Woche eine neue Folge rund um Schwangerschaft, Geburt und entspanntes Mutterglück. 
von Kristin Graf

  

Links:

www.geburtshaus-matthea.ch
www.baslerhebamme.ch
www.hebamme.ch 

 

Jana Schajka-Watson

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