Das erste Kleidungsstück, was ein Baby in der westlichen Welt angezogen bekommt, ist eine Windel. In den meisten Fällen eine Windel aus Plastik. Wir kennen es nicht mehr anders, Baby und Windel gehören zusammen, unterdessen bis zum Kleinkindalter und nicht selten darüber hinaus. Ein Baby ohne Windeln ist hier häufig unvorstellbar. In anderen Regionen der Welt ist es das ganz normal. So normal, wie es auch bei uns war. Immerhin gibt es Wegwerfwindeln erst seit gut 60 Jahren.
Infobox Wegwerfwindeln
- Die Wegwerfwindel kam 1961 auf den Markt und besteht vor allem aus Plastik und Zellulose.
- Obwohl das auf die Entwicklung der Menschheit gesehen ein kurzer Zeitraum ist, hat sie sich rasant etabliert und ist vor allem im westlichen Raum kaum wegzudenken.
- Wegwerfwindeln erhöhen das Risiko für allergische Reaktionen, Hautirritationen und können Hautausschläge verursachen.
- Ein Baby verbraucht ca. 5000 Wegwerfwindeln bis es trocken ist. Das entspricht ca. 1t Windelmüll.
- In der Schweiz macht der Windelmüll im Durchschnitt 10% des Hauskehrichts aus.
- 1 Wegwerfwindel braucht ca. 500 Jahre um sich zu zersetzen und hinterlässt eine grosse Menge an Mikroplastik. Wegwerfwindeln sind schwer brennbar.
Windelfrei
Die Stoffwindel gibt es auch erst seit knapp 150 Jahren. Davor wurde seit Beginn der Menschheit, wie auch heute noch in intakteren Kulturen, dem Kind ab Geburt ganz selbstverständlich die Toilette (ein angemessener Ort zur Ausscheidung) angeboten. Ist es nicht schwer vorstellbar, dass die Natur uns nicht auch für den Umgang mit den Ausscheidungen eines Babys ausgestattet hat, denn als Säugetiere sind wir keine Nestbeschmutzer. Im Gegenteil, bereits im Bauch kann ein Baby seine Ausscheidungen kontrollieren und somit schon ab der Geburt kommunizieren, wenn es ausscheiden möchte und warten, bis ihm eine Möglichkeit angeboten wird. Es ist kein Zufall, dass uns so oft beim Öffnen der Windel ein Urinstrahl entgegenschiesst. Es liegt also nicht in der Natur des Babys in einer tragbaren Toilette zu leben und sich darin zu beschmutzen, sondern frei auszuscheiden. Daher kommt auch der Begriff «Windelfrei», ein Trend der sich langsam wieder etabliert und Menschen dazu bewegt, dem natürlichen Instinkt zu folgen.
Infobox Vorteile von Windelfrei:
- Es entspricht unserer Natur.
- Das Ausscheidungsbedürfnis des Kindes wird erfüllt und es wird auf die physiologischen Fähigkeiten des Kindes eingegangen.
- Es fördert die Kommunikation und Nähe und dadurch die Bindung zwischen Kind und Bezugsperson.
- Die Familie kann nachts besser schlafen, weil das Kind sich komplett erleichtern kann.
- Koliken und Verstopfungsprobleme werden vorgebeugt, da die Ausscheidungen nicht zurückgehalten werden, wenn das Kind frei ausscheiden kann und nicht schmerzhaft zurückgehalten werden, um zu vermeiden sich zu beschmutzen.
- Harnwegskrankheiten werden vorgebeugt, da die Harnröhre nicht mit Bakterien der Ausscheidungen in Kontakt kommen.
- Hautausschläge- und Irritationen sowie Wunden werden vorgebeugt.
- Angenehmes Körpergefühl, da das Kind nicht in seinen Ausscheidungen verweilt.
- Bessere Beweglichkeit bedeutet auch schnelleres Erlernen motorischer Fähigkeiten wir Krabbeln und Laufen.
- Das Körpergefühl und Selbstbewusstsein werden gestärkt.
- Windelmüll- und Kosten werden reduziert.
- Weniger stinkende Windeln und Windeleimer.
- Es erleichtert den Alltag.
- Windel muss nicht abtrainiert werden und Kind ist vergleichsweise schneller trocken.
Windelfrei bedeutet jedoch nicht zwingend, dass das Kind keine Windeln trägt und auch nicht, dass das Kind ständig nackt ist und sich überall erleichtert. Windelfrei bedeutet, dass man als Eltern oder Bezugsperson auf das Bedürfnis des Kindes frei auszuscheiden, eingeht, indem die Signale wie bei jedem anderen Bedürfnis (Stillen, Schlafen etc.) erkannt werden und ihm das freie Ausscheiden ermöglicht wird. Dabei geht es auch gar nicht darum, jede Ausscheidung aufzufangen, sondern um das Bewusstsein und die Kommunikation zwischen Kind und Bezugsperson. Auch wenn sich der Begriff «Windelfrei» im deutschen Sprachgebrauch etabliert hat, ist der Begriff «Elimination Communication / Ausscheidungskommunikation» also viel passender.
Windelfrei ist eine ganz individuelle Reise. Laut Faustregel sollte das freie Ausscheiden mindestens zweimal täglich angeboten werden, damit es Teil des Alltags wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind das Angebot annimmt oder nicht. Darüber hinaus ist es jedem frei überlassen. Das Wichtigste ist, dass es den Alltag erleichtert, nicht erschwert. So spielt es also auch keine Rolle, wenn in gewissen Situationen, wie unterwegs, in der Betreuung, in der Nacht, etc. kein Töpfchen angeboten wird. Genauso individuell ist es mit dem Backup. Inzwischen gibt es einen grossen Markt an praktischer und wunderschöner Windelfreikleidung. Windelfrei kann nebst Windelfreiwindeln aber auch mit Wegwerfwindeln oder Stoffwindeln praktiziert werden oder auch ohne Backup, beziehungsweise situationsbedingt aus einer Mischung aus mehreren Varianten.
Infobox: Stimmen von Windelfreimamas
«Was ich am eindrücklichsten fand bzw. was für mich das Hauptargument war (und für mein Umfeld bis heute noch befremdlich): es geht nicht darum dem Kind beizubringen seine Ausscheidungsbedürftnisse zu signalisieren. Es geht als Eltern darum die Signale die das Kind von Tag 1 gibt, zu lesen und darauf zu reagieren. So wie wir ja auch auf jedes andere Grundbedürftniss des Kindes reagieren.»
«Beim Konzept der Windelfreiheit gibt es für mich zwei entscheidende Aspekte. Erstens bereitet es mir grosse Freude, meinem Kind die Möglichkeit zu geben, nach langem Einhalten die Erleichterung des freien Ausscheidens zu erleben. Jeder, der schon einmal dringend auf die Toilette musste und schliesslich Erleichterung fand, wird dieses Gefühl nachvollziehen können. Mein Sohn bedankt sich oft sofort dafür – mit einem Lächeln oder einem zufriedenen Glucksen. Zweitens empfinde ich es als befreiende Erfahrung, wie unbeschwert das Leben ohne die Abhängigkeit von Wegwerfwindeln sein kann. Besonders auf langen Zug- und Flugreisen habe ich dies oft erlebt. Die Wickelmöglichkeiten sind häufig eher bescheiden. Es ist wunderbar, nicht auf diese angewiesen zu sein und nicht daran denken zu müssen, sämtliches Zubehör wie Windeln, Feuchttücher und Cremes mitzunehmen. Hinzu kommen die finanzielle Ersparnis und die Vorteile für die Umwelt, die ebenfalls nicht zu unterschätzen sind.»
Das Baby wird also mit der Fähigkeit seine Ausscheidungen zu kontrollieren und das Ausscheidungsbedürfnis zu kommunizieren geboren. Durch die Superabsorber in der Wegwerfwindel und dadurch, dass nicht auf dieses Bedürfnis und die Kommunikation des Babys eingegangen wird, gibt das Kind auf, diese biologischen Voraussetzungen zu unterhalten. Deswegen ist es gerade in den ersten drei Lebensmonaten am einfachsten mit Windelfrei zu beginnen und bis zum fünften Lebensmonat bei Kindern, die mit Stoff gewickelt werden und dadurch nach wie vor ein Nässefeedback erhalten. Dazu kommt, dass in dieser Zeit Bedürfnisse wie Beziehungsaufbau, Schlafen, Nahrungsaufnahme und eben auch Ausscheidung von Priorität sind. Danach erlebt das Kind neue Entwicklungsschritte wie Mobilität oder Sprache, die alles andere in den Hintergrund rücken lassen. Aber keine Sorge, man kann jederzeit mit Windelfrei einsteigen, wenn man weiss, wie es für das Kind attraktiv gestaltet werden kann. Ist das Kind schon älter als 18 Monate, empfiehlt sich bedürfnisorientiertes Trockenwerden oder eine Hybridform zwischen Windelfrei und Trockenwerden.
Infobox Wegwerfwindelindustrie:
Mit dem Aufkommen der Wegwerfwindelindustrie wurden von den führenden Marken Studien veröffentlicht, dass Kinder erst ab einem gewissen Alter (wird immer höher gesetzt) ihre Schliessmuskeln kontrollieren können und kognitiv bereit sind, mit dem sogenannten «Töpfchen-Training» zu beginnen. Damit kam auch die Empfehlung, dass die Entscheidung, mit dem Töpfchen-Training zu beginnen, beim Kind liegen soll und nicht von den Eltern initiiert werden soll. Das führt dazu, dass Kinder immer später trocken werden (teilweise erst im frühen Schulalter) und das Trockenwerden erschwert wird, weil eine Prägung auf die Windel existiert und der Körper die biologischen Voraussetzungen dafür vergessen hat. Anstatt die von Geburt gegebenen Eigenschaften zu unterstützen, trainieren wir dem Kind also an, sich in eine am Körper festgemachte Toilette kommentarlos zu entleeren, um es ihnen dann zu einem späteren Zeitpunkt oft mühselig wieder abzutrainieren.
Bedürfnisorientiertes Trockenwerden
Zeigt das Kind von sich aus für das Töpfchen oder die Toilette Interesse, sollte man als Bezugsperson unbedingt darauf eingehen. Es gilt die Vorstellung, dass das Trockenwerden im Sommer viel einfacher ist, weswegen viele Bezugspersonen trotz Initiative des Kindes warten möchten. Dabei gibt es auch für den Winter viele Vorteile. Darüber hinaus muss man sich als Bezugsperson keineswegs auf die Initiative des Kindes verlassen und darauf warten, bis das Kind von sich aus trocken werden will. Denn wie kann das Kind von sich aus auf die Idee kommen, es möchte plötzlich nicht mehr in die Windel machen, wenn es nichts anderes kennt? Und oft fällt dem Kind der Abschied von der Windel schwer und auch für die Eltern ist das Wickeln eine Routine, von der sie sich schlecht trennen können. Umso wichtiger ist es als Bezugsperson die Entscheidung zu treffen, das Kind als Leitwolf zu begleiten und Führung und Verantwortung zu ergreifen. Wurde das Kind also nicht Windelfrei erzogen, wird idealerweise ab mit ca. 18 Monaten mit dem Trockenwerden begonnen. In diesem Alter ist das Kind in einer sensiblen Phase, die diesen Prozess begünstigt, da es dann besonders offen und interessiert gegenüber dem Trockenwerden ist.
Genauso wie Windelfrei basiert bedürfnisorientiertes Trockenwerden auf der Kommunikation zwischen Kind und Bezugsperson. Die Rolle des Erwachsenen besteht in erster Linie darin, das Verhalten des Kindes in Bezug auf die Ausscheidungen zu beobachten und dann zu reflektieren und kommunizieren und so die Kommunikation des Kindes zu fördern. Die Einbeziehung des Kindes spielt auch bei der Gestaltung und Vorbereitung des Ausscheidungsortes eine grosse Rolle, z.B. gemeinsam das Töpfchen aussuchen und die Ecke im Badezimmer zu gestalten.
Bei Molemin - natürlich Kind findest du Produkte, die das natürliche Trockenwerden unterstützen, u.a.:
Trainer-Slips sind Unterhosen mit minimalem Saugkern und atmungsaktivem, wasserdichtem Aussenmaterial. Sie bieten Nässeschutz zur Unterstützung beim Trockenwerden - falls doch einmal etwas daneben geht.
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Am Samstag, 22. Juni finden bei Molemin zwei Workshops statt: «Windelfrei» und «Bedürfnisorientiertes Trockenwerden»
Beratung «Windelfrei» und «Bedürfnisorientiertes Trockenwerden»
Unsere Mitarbeiterin Iria Mudimu ist Nappy Change Beraterin (zertifiziert von der Stoffwindelschule Schweiz) und hat ihren Sohn seit dem Tag der Geburt abgehalten. Nappy Change vereint Ansätze von Windelfrei, hello nappy, Elimination Communication und bedürfnisorientiertes Trockenwerden. Mit Häfi Ahoi berät sie Familien (auch online) und bildet ein Netzwerk Gleichgesinnter in der Region Basel mit einem monatlichen Stammtisch (immer am 1. Donnerstagnachmittag im Monat).
Für eine persönliche Beratung, kannst du Iria Mudimu direkt kontaktieren:
Häfi Ahoi
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