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Herzenssprache – mehrsprachig aufwachsen

Herzenssprache – mehrsprachig aufwachsen

Viele Kinder wachsen aus unterschiedlichen Gründen in einem interkulturellen und somit multilingualen Umfeld auf. Die Fähigkeit von Kindern, Sprachen rasch und mühelos zu erlernen, ist bemerkenswert. Oft sind Eltern allerdings verunsichert, welche Sprachen sie mit den Kindern sprechen sollen, insbesondere wenn die Umgebungssprache nicht den Familiensprachen entspricht. Nadine Baer Nussbaumer vom Eltern Kind Zentrum «MaKly» erklärt, weshalb es wichtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern ihre Muttersprache sprechen, nicht nur dann, wenn es sich um eine weit verbreitete Sprache handelt. Auch beleuchten wir, welche Grundregeln Eltern für eine gelingende mehrsprachige Erziehung einhalten sollten und wie das «Deutschobligatorium» in Basel Familien dabei unterstützt, dass fremdsprachige Kinder ausreichend Deutschförderung erhalten.

In der mehrsprachigen Erziehung unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Methoden, die den Eltern helfen, die sprachliche Entwicklung des Kindes optimal zu unterstützen. Das «eine Person - eine Sprache»-Prinzip wird von Experten bevorzugt und ist die Methode, die von vielen gemischtsprachigen Familien praktiziert wird. Das bedeutet, dass jeder Elternteil eine unterschiedliche Sprache mit dem Kind spricht. In der Regel ist das ihre Muttersprache, beziehungsweise die Sprache, zu der das jeweilige Elternteil sich emotional am meisten verbunden fühlt und die er am besten beherrscht. Fühlt sich ein Elternteil zwei Sprachen gleichermassen verbunden, weil er beispielsweise selbst zweisprachig aufgewachsen ist, sollte derjenige sich auf eine Sprache begrenzen. Vielleicht können ja andere Bezugspersonen, wie die Grosseltern, die andere Sprache mit dem Kind sprechen.

Es empfiehlt sich nicht, dass Eltern mit den Kindern eine Sprache sprechen, die lediglich ihre Zweitsprache oder gar eine Fremdsprache ist, auch wenn dies in den Augen der Eltern Vorteile für das Kind mit sich bringt. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Sprache fehlerhaft übermittelt wird und die Eltern sprachlich und emotional an ihre Grenzen stossen und so zurück in die Muttersprache wechseln. Ein solch abrupter Sprachwechsel kann das Kind verunsichern, da die Sprache auch dem Beziehungsaufbau dient. Deswegen ist es wichtig, dass sich jede Bezugsperson von Beginn an entscheidet, welche Sprache es mit dem Kind sprechen möchte und dann konsequent dabeibleibt und nicht willkürlich von einer Sprache in die andere wechselt oder die Sprachen gemischt werden.

Nadine Baer Nussbaumer bestätigt, wie wichtig es ist, dass die Eltern ihre Herzenssprache mit dem Kind sprechen. Für das Kind ist es eine grosse Chance mehrsprachig aufzuwachsen, da es in der frühkindlichen Entwicklung am empfänglichsten für Sprachen ist und diese schneller lernen kann. Ausserdem vermitteln die Eltern mit ihrer Muttersprache dem Kind eine Herzenssprache. In der Sprache, in der man sich am meisten verbunden fühlt, kann man sich am differenziertesten ausdrücken, insbesondere in Bezug auf Emotionen. Das spielt in der Erziehung eine grosse Rolle, denn sowohl Kind als auch Eltern können dadurch besser kommunizieren, was Nähe und Bindung schafft.

Die Methode «Familiensprache – Umgebungssprache» oder «Zuhause – Draussen» ist gerade für einsprachige Familien geeignet, deren Sprache nicht der Umgebungssprache, in der sie wohnen, entspricht. Dabei spricht die Familie zu Hause oder auch auswärts untereinander die Muttersprache der Eltern. Ausserhalb der Familie, in der Kita, Kindergarten, Schule, bei Freunden etc. spricht das Kind die Landessprache des Wohnorts. Auch dort ist wichtig, dass die Eltern konsequent die Familiensprache mit dem Kind sprechen, auch wenn sie die Umgebungssprache unterdessen gut beherrschen.

Gerade in solchen Fällen ist es wichtig, dass die Familien, die privat wenig mit der Umgebungssprache in Berührung kommen, frühestmöglich den Kontakt zur Umgebungssprache aufsuchen und ermöglichen, wie etwa durch Angebote wie Quartierzentren wie das «MaKly». Das Eltern Kind Zentrum richtet sein Angebot hauptsächlich an Eltern und Bezugspersonen mit Kindern im Frühbereich und zählt offiziell zum Bereich der frühen Förderung. Die Sozialarbeiterin Nadine Baer Nussbaumer des Quartierzentrums im Kleinbasler Matthäus Quartier beobachtet ein bunt durchmischtes Klientel. Wenige Familien haben Deutsch oder ausschliesslich Deutsch als Familiensprache und sprechen oft mindestens zwei Sprachen. Somit ist das Ziel vom MaKly unter anderem auch, dass die Kinder durch den Austausch mit den Sozialarbeiterinnen, anderen Familien und Kindern sowie Aktivitäten wie gemeinsames Singen bereits im frühkindlichen Alter mit der deutschen Sprache in Berührung kommen. Für Familien, die das Quartierzentrum regelmässig besuchen, kann dies ein grosser Beitrag sein.

 

Infobox: Im Kanton Basel-Stadt gibt es 17 Quartiertreffpunkte

Es gibt verschiedene Schwerpunkte, die die Quartierarbeit abdeckt. So unterscheidet sich das Angebot von Quartierzentrum zu Quartierzentrum. Wähle dein Quartierzentrum also nach deinen Bedürfnissen, nicht zwingend nach deinem Quartier. Die Treffpunkte sind für alle da, nicht nur für Bewohner des Kantons Basel-Stadt. Viele der Zentren bewegen sich unter anderem im Bereich Frühförderung und Elternberatung. Finde jetzt den Quartiertreffpunkt, der am besten zu deiner Familie passt!

 

Zudem verfügt das MaKly auch über eine Spielgruppe, die für das Deutschobligatorium im Kanton Basel-Stadt qualifiziert ist. Das «selektive Obilgatorium» ist eine Massnahme für die Verbesserung der Integration und Chancengerechtigkeit des Deutsch Lernens. Durch das «selektive Obligatorium» sind alle Kinder, die Zuhause nicht Deutsch sprechen, dazu verpflichtet, ein Jahr vor Kindergarteneintritt zwei Halbtage (ab Schuljahr 2024/25 drei Halbtage) eine Spielgruppe oder Kita mit Sprachförderung zu besuchen, um das Kind sprachlich auf die obligatorische Schullaufbahn vorzubereiten. Die Kosten dafür werden von der Stadt Basel getragen. Der offene Treff und die Kontaktgruppen des Quartierzentrums können diese spielerische Sprachförderung schon früher anbieten, was die Familie in Bezug auf das «selektive Obligatorium» unterstützt.

Auf der Webseite des Deutschobligatorium Basel-Stadt findest du weitere Informationen zum Angebot, zur Sprachevaluierung und welche Spielgruppen und Kitas für das Deutschobligatorium qualifiziert sind.

Nadine Baer Nussbaumer beobachtet auch oft, dass Eltern im Treff mit dem Kind Deutsch sprechen, aber wird es emotional, wechseln sie auf ihre Muttersprache, beispielsweise wenn das Kind getröstet wird. Auch dass das Kind die Sprachen zu Beginn mischt, ist ganz normal. Es kann auch vorkommen, dass das Kind eine Muttersprache phasenweise ablehnt, in dem es beispielsweise nur noch in der Umgebungssprache spricht. Gerade dann ist es wichtig, dass die Eltern nicht die Sprache wechseln. Im Gegenteil, gerade in solchen Situationen sollte die Sprache weiterhin gesprochen werden und darauf geachtet werden, dass das Kind der Sprache eventuell noch intensiver ausgesetzt ist, beispielsweise durch Reisen, Lieder, Bücher etc. Generell gilt, dass die Kinder jeder Sprache so viel wie möglich, so divers wie möglich und mit möglichst viel Zuwendung und Gründlichkeit nahegebracht werden. Trotzdem gilt für das Kind freie Sprachwahl. Ein Kind sollte nicht unter Druck gesetzt werden, eine bestimmte Sprache zu benutzen oder Dinge in einer bestimmten Sprache zu wiederholen. Auch sollten Kinder nicht korrigiert werden, es sei denn, das Kind fragt von sich aus nach Hilfestellung. Sprechen die Bezugspersonen konsequent ihre Herzenssprache weiter, wird das Kind die verweigerte Sprache auch wieder aufnehmen und weiterentwickeln. Die Eltern und Bezugspersonen pflegen idealerweise eine positive Einstellung gegenüber ihrer Sprache und der Mehrsprachigkeit.

Ein Ort der Mehrsprachigkeit ist die Bibliothek St. Johann JUKIBU am Lothringerplatz 1. Diese Filiale der GGG Stadtbibliothek Basel bietet Bücher und andere Medien in über 50 Sprachen zur Ausleihe an.

«Heute wissen wir, dass die Kompetenz in der Muttersprache eine wesentliche Grundlage für den Erwerb einer Zweitsprache ist. Je besser und differenzierter ein Kind seine Mutter-sprache spricht, umso leichter und differenzierter lernt es die Zweitsprache.» (Maureen Senn-Caroll, Leiterin JUKIBU)

Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre, wohnhaft in Basel, können eine Bibliothekskarte bei den Bibliotheken der GGG gratis beziehen. Für ausserhalb Wohnende ist es gratis bis und mit 15 Jahren. Diese Karte ist gültig in allen Filialen.

Für Familien veranstaltet St. Johann JUKIBU regelmässig zweisprachige Erzählstunden und andere Anlässe in verschiedenen Sprachen. Dabei werden die Freude an Geschichten sowie die Pflege der Erstsprache und des interkulturellen Austauschs unterstützt und gefördert. Dafür braucht es keine Bibliothekskarte.

Dieses Angebot widerspiegelt die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Basel und bereichert die Schulen, das Quartier und die ganze Stadt.

Finde im Veranstaltungskalender der JUKIBU deine nächste Familienaktivität!

 

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Weiterführende Literatur / Literaturtipps für Eltern (ausleihbar in der GGG Stadtbibliothek)

  • Die Macht der Mehrsprachigkeit: über Herkunft und Vielfalt
  • Leist-Villis, Anja: Elternratgeber Zweisprachigkeit : Informationen & Tipps zur zweisprachigen Entwicklung und Erziehung von Kindern
  • Nodari, Claudio & De Rosa, Raffaele: Mehrsprachige Kinder : ein Ratgeber für Eltern und andere Bezugspersonen
  • Triarchi-Hermann, Vassilia: Mehrsprachige Erziehung : wie Sie Ihr Kind fördern

 

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