Anregungen, die das Kennenlernen erleichtern und die Geschwisterbeziehung stärken
Ein Baby verändert nicht nur das Leben der frischgebackenen Eltern, auch Geschwisterkinder, Verwandte und Freunde finden sich in einer neuen Rolle wieder und Beziehungen ändern sich. Jedes weitere Geschwisterkind verändert die Dynamik erneut. Das ist für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung, insbesondere für Kinder, die bisher noch kein Geschwisterchen hatten. Es stand bisher im Mittelpunkt und muss nun eine ganz neue Rolle einnehmen. Oft sind Bezugspersonen unsicher, wie sie die Geschwisterkinder auf dieser Reise begleiten können. In diesem Blogbeitrag haben wir Tipps zusammengetragen, die euch helfen, Kinder bereits während der Schwangerschaft miteinzubeziehen und auf die neue Rolle als grosse Schwester oder grosser Bruder vorzubereiten.
Laut einer Forschung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, entwickelt sich die Geschwisterbeziehung primär von der Geburt bis zum zweiten Lebensjahr des Neuankömmlings. Mindestens genauso wichtig, wie eine gute Basis zu schaffen, ist jedoch auch die Vorbereitung auf das neue Baby während der Schwangerschaft.
Wir bekommen noch ein Baby – wie sagen wir es den Geschwistern?
Um die Geschwisterbeziehung bereits während der Schwangerschaft aufzubauen, ist es wichtig, die Kinder einfühlsam aufzuklären und in die praktischen Vorbereitungen miteinzubeziehen. Das Vertrauen in der Familie wird dadurch gestärkt und spätere Eifersucht auf das Baby vorgebeugt. Wann die frohe Botschaft verkündet wird, ist sehr individuell. Das Zeitgefühl bei Kleinkindern ist noch nicht so ausgeprägt und so fehlt es ihnen an Vorstellungskraft, wann das Baby denn kommt. Zudem ist zu beachten, dass jedes Kind, Informationen im eigenen Tempo verarbeitet. So kann ein Kind an den Neuigkeiten zunächst völlig desinteressiert sein und zu einem späteren Zeitpunkt von sich aus auf das Thema zurückkommen. Wichtig ist jedoch, dass die Kinder miteinbezogen werden, sobald die Schwangerschaft deutlich zu sehen ist oder Beschwerden auftreten, die Kinder wahrnehmen. Oder aber wenn andere Menschen im Umfeld informiert sind, denn die Kinder sollten es auf keinen Fall von Drittpersonen erfahren.
Es ist darauf zu achten, dass das Gespräch stattfindet, wenn alle Beteiligten entspannt, satt und ausgeschlafen sind. Am besten in einer vertrauten Situation und so undramatisch wie möglich. Bei der Wortwahl ist es wichtig, dass die Situation aus der Sicht des Kinders geschildert wird: «Du wirst grosse/r Schwester/Bruder», nicht «Bei Mama ist ein Baby im Bauch». Fragen und Sorgen der Kinder sollten ernst genommen werden und kinderecht, einfach und lösungsorientiert beantwortet werden. Auch altersgerechte Bücher eignen sich prima als Hilfestellung. Bei älteren Kindern, kann auch über deren Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit gesprochen und gemeinsam mit dem Baby im Bauch kommuniziert werden: «Deine grossen Geschwister sind wunderbar!». Aber auch bei Vorbereitungen wie Ausstattung, Namensfindung, etc. können Kinder bereits eingebunden werden. Auch die Vorsorgeuntersuchungen eignen sich super, um Kinder an der Schwangerschaft teilhaben zu lassen. Es kann sein, dass die Kinder jetzt besonders viel Aufmerksamkeit und Liebe brauchen oder Zuwendung von gewissen Bezugspersonen ablehnen. Du kannst darauf vertrauen, dass sich das Kind genau das holt, was es braucht. Diese Nähe ist auch für die Eltern wichtig, um sich die Kinder vor der Geburt nochmals richtig einzuprägen. Nach der Geburt des neuen Babys sind die anderen Kinder, und vor allem das jüngste, dann nicht mehr klein, sondern auf einen Schlag «gross». Das unterschätzen Eltern oft.
Infobox: Kinder mit Bildern und Geschichten über die Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach vorbereiten
Bücher:
- Was versteckt sich in deinem Bauch, Mama? Martîn, Patricia / Bonilla, Rocio (ab 1 Jahr)
- Babybauch und Windelwunder. Orlovsky, Sarah Michaela / Antoni, Birgit (ab 2 Jahren)
- Du da drinnen & ich hier draussen. Die Schwangerschaft spielend begleiten. Scharmacher-Schreiber, Kristina / Ehling, Thekla (ab 2 Jahren)
- Jetzt ist unser kleines Baby da. Kitzing, Constanze (ab 2 Jahren)
- Ein Baby wird geboren. Oud, Pauline (ab 3 Jahren)
- Ein Baby in Mamas Bauch. Herzog, Anna/ Tourlonias, Joëlle (ab 4 Jahren)
- Melonengross. Das gendersensible Vorlesebuch rund um Familie und Geburt. Lindner, Cornelia / Tschemernjak, Verena (ab 4 Jahren)
- Hallo du, in Mamas Bauch. Wir warten auf das neue Baby. Witek, Jo / Roussey, Christine (ab 4 Jahren)
- Runas Geburt. Meine Schwester kommt zur Welt. Spillmann, Uwe / Kamieth, Inga (ab 4 Jahren)
- Ein Baby! Wie eine Familie entsteht. Greener, Rachel / Owen, Clare (ab 5 Jahren)
- Baby in Mamas Bauch. Westera, Bette (ab 5 Jahren).
Diese Bücher und weitere Bücher sind im Proviant (Spalenvorstadt 36 in Basel) erhältlich. Gerade ausverkaufte Bücher können jederzeit bestellt werden. Schau vorbei und lass dich inspirieren. Wir sind uns sicher, dass auch für deine Familie das passende Buch dabei ist. Sandra Näf-Gloor und ihr Team beraten dich gerne.
Video:
Es ist so weit – die Geburt und das erste Kennenlernen
Für die älteren Geschwister sind vertraute, sichere Beziehungen nebst den Eltern in dieser Zeit enorm wichtig (z.B. zu den Grosseltern), damit eine Trennung von den Eltern für die Geburt keinen Bindungsstress auslöst, gerade wenn die Kinder eventuell wo anders übernachten müssen. Auch für die Eltern ist es wichtig, dass die Betreuungsperson und die Kinder ein eingespieltes Team sind, denn nur so, können sie sich während der Geburt voll und ganz darauf konzentrieren. Mehrere Geschwisterkinder sollten unbedingt gemeinsam untergebracht werden. Auch hier ist es wichtig, die Kinder gut im Vorfeld darüber zu informieren, wie es ablaufen wird. Entscheidet sich die Familie, dass die Kinder bei der Geburt dabei sind (vor allem bei einer Hausgeburt), sollte trotzdem eine Betreuungsperson abrufbereit sein, falls sich die Situation nicht mehr stimmig anfühlt. Alternativ kann eine Vertrauensperson bei der Geburt dabei sein, die sich ausschliesslich auf die Kinder konzertiert, um den Eltern die Verantwortung für die Kinder abzunehmen.
Beim ersten Kennenlernen empfiehlt es sich, dass die Mutter die Kinder wie immer begrüssen kann, ohne das Baby im Arm. Jegliche Emotionen gegenüber dem neuen Baby sollen akzeptiert und mit viel Verständnis unterstützt werden. Einige Kinder sind direkt Hands-on und wollen fast schon zu viel, andere Kinder haben eher unangenehme Emotionen gegenüber dem Kleinen. Die Geschwisterkinder können dem Baby auch ein Geschenk mitbringen und man kann den Geschwisterkindern ein Geschenk von dem Baby überreichen. Und auch wenn die Besucher sicher gerne ein Geschenk für das Baby mitbringen möchten, bewährt es sich, auch für die Geschwister etwas dabei zu haben.
Infobox: Geschenkideen
Und jetzt? Geschwisterbeziehung aufbauen
Für Bezugspersonen sind vor allem die Konflikte unter Geschwistern herausfordernd. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung über die Geschwisterbeziehung in den ersten zwei Jahren nach der Geburt des neuen Kindes teilt diesen Zeitraum in drei Phasen (0-8 Monate, 8-16 Monate und 16-24 Monate) ein. Das Artgerecht Projekt bezieht sich auf diese drei Phasen, um die Konflikte der Kinder besser zu verstehen und sie in diesem Prozess zu unterstützen und geht zusätzlich auf die Zeit danach ein.
Phase 1: 0-8 Monate
In der ersten Phase nach der Geburt des neuen Babys steht im Fokus, dass die Geschwisterkinder die Aufmerksamkeit bekommen, die sie brauchen, vor allem jüngere Geschwisterkinder. Von Anfang an sollten die neuen Grossen in die Tätigkeiten rund um das Baby miteinbezogen werden. Das gibt ihnen das Gefühl gebraucht zu werden. Sie können beispielsweise eine frische Windel bringen oder dem Baby den Nuggi in den Mund stecken. Der Fokus liegt stets darauf, was die älteren Kinder tun können, nicht was sie nicht tun können. Ältere Geschwister erkennen die Bedürfnisse des Babys oft sogar besser. Babys sind zudem robuster, als man denkt. Mit dem Baby zu kuscheln schafft Bindung, auch wenn es mal ein wenig wild zu und her geht. Und wenn ein Kind eifersüchtig ist, braucht es ganz viel Exklusiv-Zeit, besonders von Mama. Das ist die perfekte Gelegenheit für Papa die Bindung zum Baby zu stärken. Auch räumlich weniger Distanz zu bilden, unterstützt die positive Beziehungsentwicklung, etwa beim gemeinsamen Spiel oder Musizieren am Boden. Alles, was nicht der Beziehungsentwicklung zu tun hat, hat erst mal keine Priorität.
Phase 2: 8-16 Monate
Die zweite Phase bringt insofern Herausforderungen mit sich, da das Baby stetig mobiler wird und eine neue Art von Aufmerksamkeit braucht. Ausserdem liegt es nicht mehr nur süss herum, sondern saust wie ein kleiner Tornado umher und verwüstet auch mal die Spielwelt der Geschwister. Bei den älteren Geschwistern kann das unangenehme Gefühle triggern. Für die Bezugspersonen ist es wichtig die Gefühle der Kinder zuzulassen und sie in Worte zu fassen, aber den Geschwistern auch zu zeigen, dass genug Liebe für alle da ist. Mit einem Kleinkind können auch Einschlafbegleitung oder Stillmahlzeiten herausfordernd sein, wenn man gerade allein mit den Kindern ist. Erleichtern kann man diese ebenfalls durchs Einbeziehen des Kleinkindes. Muss das Baby beispielsweise in den Schlaf getragen werden, kann man mit dem Kind an der Hand durch das Kinderzimmer spazieren und leise singen. Wenn das Kind ebenfalls müde wird, kann es sich bereits hinlegen mit dem Versprechen, dass man sich dazu legt, sobald das Baby schläft. Wenn das Baby beim Stillen viel Ruhe braucht, kann sich das Kind kurz vorher austoben und dann mitkuscheln. Damit man während dem Stillen nicht aufstehen muss, hilft es, wenn man Snacks, Spiele und Bücher direkt zur Hand hat. Wichtig ist, dass man das macht, was gerade klappt, auch wenn dies bedeutet, dass die Kinder mal durch den Fernseher beschäftigt werden oder man mit dem Auto durch die Gegend fährt. Auch in dieser Phase ist genug Alleinzeit mit den grösseren Kindern enorm wichtig und hilft, dass wenn das Baby Aufmerksamkeit braucht, die Geschwister gelassener damit umgehen.
Phase 3: 16-24 Monate
In der dritten Phase ist das Baby bereits ein Kleinkind und die Konflikte der Anfangszeit wie Schlafen, Stillen und zerstörte Spielwelten nehmen ab und das Miteinander wird meistens einfacher. Allerdings kann ein Kleinkind vor allem im Spiel mit den anderen Kindern nicht mehr so schnell abgelenkt werden und möchte oftmals hartnäckig Teil des Geschehens sein. Konflikte können vermieden werden, indem es einen Bereich gibt, in dem das Baby frei spielen darf und einen Bereich, in dem sich die grösseren Kinder zurückziehen können. Ausserdem darf von den älteren Kindern nicht erwartet werden, dass sie mit dem Baby spielen oder es unterhalten, damit man kurz etwas anderes machen kann. Gleichzeitig kann man den älteren Kindern aber auch zeigen, in welchen Bereichen sie dem Baby etwas beibringen können. Wenn sich ein Streit anbahnt, bewährt es sich, die Situation zu verändern, indem der Raum oder die Aktivität gewechselt wird. Ist es schon zu spät, kann gemeinsam eine Lösung gefunden werden, indem vor allem die älteren Kinder abgefragt und miteinbezogen werden können. Wenn sogar Hassgefühle geäussert werden oder im Gegenteil, ein Kind besonders brav ist, ist dies oft ein Zeichen, dass es mehr ungeteilte Aufmerksamkeit braucht. Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht darum geht, gleich viel Zeit mit jedem Kind zu verbringen, sondern Zeit nach dem individuellen Bedürfnis des einzelnen Kindes zu verbringen. Auch ein gutes Zeitmanagement kann entlastend sein und lässt den Kindern Raum zum Experimentieren und selbständig sein, ohne dass man sich ständig beeilen muss und unter Druck ist.
Die Zeit nach den drei Phasen der frühen Kindheit zeigt, was in den ersten zwei Jahren erarbeitet wurde. Auch das Kleinste wird langsam unabhängiger von den Eltern und so auch die Beziehung mit den Geschwistern und das gemeinsame Spiel etabliert sich langsam. Trotzdem brauchen die Kinder Begleitung der Bezugspersonen, da das Kleinkind erst noch Fähigkeiten wie Moral, logisches Argumentieren, Kompromisse finden, Konfliktlösung und Empathie erlernen muss.
Viele dieser Anregungen stammen aus dem Buch «Geschwister als Team – Ideen für eine starke Familie» von Nicola Schmidt, Autorin und Gründerin des Artgerecht Projekt. Für mehr Details für eine starke Familie und vor allem starke Geschwisterbeziehungen in verschiedenen Familiensituationen können wir dieses Buch wärmsten empfehlen. Auch wenn die Reise nicht immer einfach ist, wenn wir die Kinder unsere Liebe in unserem Herzen spüren lassen, ist das Wichtigste schon getan. Viel zu selten erinnern wir uns daran, dass wir es trotz allen Stolpersteinen gut machen und dass wir die besten Eltern für unsere Kinder sind.
Stimmen aus der Molemin Instagram Community
Das hat euch und euren Kindern bei der Ankunft eines neuen Babys geholfen:
- «Mein Mann»
- «In Ruhe ankommen und erst sich als Familie wieder neu finden und dann kommt der Besuch.»
- «Zeit und Gelassenheit»
- «Zeit, Familie, Akzeptanz, Heilung»
- «Entspannt sein»
- «Know-how von Kind 1 für Basics, Gelassenheit.»
- «Hilfsangebote annehmen! Die Hebamme ist auch beim 2. und 3. Kind unbezahlbar!»
- «Tipps und Trost von Müttern, die schon mehrere Kinder hatten.»
- «Ein gute Trage»
Eure Tipps für (frischgebackene) Mehrfacheltern:
- «Hört auf euch und euer Baby und nicht was irgendwo steht oder jemand sagt. »
- «Vertrauen in sich selbst und in das Kind.»
- «Ruhe bewahren.»
- «Gebt euch Zeit.»
- «Denken, dass alles vorbei geht.»
- «Auf die mentale Gesundheit achten.»
- «Unterstützung ohne Hemmungen annehmen und Pause machen, ohne schlechtes Gewissen.»
- «Macht euer eigenes Ding. Ihr macht es toll. Geniesst es. Kommuniziert, was ihr braucht/wollt»
Danke für eure schönen Worte!